Verlorene
Generation
Zweimal
im Jahr bietet die Mannheimer Theaterakademie ihren Abschlussklassen
Gelegenheit, sich im benachbarten Theater Felina-Areal öffentlich
vorzustellen. Die zweite Abschlussklasse 2012 führt hier jetzt Laura
de Wecks „Lieblingsmenschen“ auf, das vor fünfeinhalb Jahren
schon einmal mit dem Mannheimer Schnawwl-Ensemble zu sehen war. Die
Vorstellung der Theaterakademie ist unterhaltsam und empfehlenswert.
„Lieblingsmenschen“
war das Debütstück der Schauspielerin und Dramatikerin Laura de
Weck, Tochter des Publizisten Roger de Weck.
Sie
schrieb es, als sie etwa in dem Alter war, in dem die angehenden
Schauspielerinnen und Schauspieler, die es jetzt an der
Theaterakademie aufführen, auch sind: also Mitte zwanzig. Im Herbst
2005 stellte das Mannheimer Schnawwl-Ensemble Laura de Wecks Stück
erstmals in einer szenischen Lesung beim Frankfurter Autorenforum
vor. Anderthalb Jahre später folgte die Uraufführung im Studio
Werkhaus etwa zur selben Zeit wie am Theater Basel. Boris C.Motzki,
ehemals Regieassistent am Mannheimer Nationaltheater, inzwischen
freischaffender Regisseur und immerwieder einmal für die
Theaterakademie tätig, hielt „Lieblingsmenschen“ nicht nur für
geeignet für die Absolventenklasse, sondern auch die Zeit für
gekommen, in Mannheim wieder an das Stück zu erinnern. Damit fand er
auch sofort die Zustimmung der jungen Leute. „Lieblingsmenschen“
spielt in einem studentischen Milieu in einer Lost Generation, die
nichts anzufangen weiß mit ihrem Leben und oft im Telegrammstil über
SMS kommuniziert. Die Psychologiestudentin Lili (Marion Bott) bandelt
mit dem durchs Juraexamen gefallenen Darius (Roman Kimmich) an, der
früher mit der Schauspielschülerin Jule (Svetlana Wall) zusammen
war, die es wiederum lustlos mit Sven (Dennis Rehner) treibt, wie sie
es angeblich mit jedem treibt. Nur die eifrige Philosophiestudentin
Anna (Katrin Reuter) ist schon seit sechs Jahren glücklich,wie sie
jedenfalls behauptet, mit Philipp liiert. Philipp wiederum ist wie
ein Gespenst: Alle reden von ihm, aber er tritt niemals in
Erscheinung.
Boris
C. Motzki inszeniert „Lieblingsmenschen“ amüsant und mit vielen
pfiffigen Einfällen. Die nicht auftretenden Personen sind als
Schattenrisse präsent und machen so den Anpassungsdruck deutlich,
unter dem alle stehen. Sexszenen werden mit Plastikflaschen, die auch
über die ganze Bühne verstreut sind, angedeutet. Die Dialogszenen
sind oft witzig. Das Stück wirkt so beschwingt, dass das böse Ende
höchst unerwartet in die heitere Atmosphäre einbricht.
Allein
wegen der Leistung der jungen, äußerst engagierten
Schauspielerinnen und Schauspieler lohnt sich der Theaterbesuch.
HANS-ULRICH
FECHLER
Quelle:
Rheinpfalz
Fotografie: Wolfgang Detering © All rights reserved
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